Die Kirche zum heiligen Leonhard in Seewiesen
Teil I
Am Fuße des Seeberges, wo sich Seegraben und Dullwitzgraben treffen, liegt der idyllische Ort Seewiesen, dominiert vom Kirchlein zum heiligen Leonhard. Nicht von ungefähr wird der Ortsflecken auf Grund der Ähnlichkeit mit dem Original als steirisches Heiligenblut bezeichnet. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes im Jahre 1335 durch den Abt von St. Lambrecht steht im Zusammenhang mit der erzbischöflichen Bewilligung in Seewiesen eine Kirche „zur größeren Bequemlichkeit der Pilger“ und als letzte Raststätte vor Mariazell zu errichten. War doch die alte Eisenstraße zwischen Kapfenberg und Gußwerk mit ihren Hammerwerken und Schmieden zur „Heiligen Straße der Pilger“ geworden.
Der heilige Leonhard als Kirchenpatron, Beschützer des Viehs, der Bauern, aber auch der Bergleute, passt in diese Landschaft. Er soll um 500 nach Christus in Frankreich/Limousin gelebt haben und war eigentlich ein Kettenheiliger, der die Fähigkeit hatte Gefangene zu befreien. Im Hochmittelalter wurde Leonhard im deutschsprachigen Raum populär und einer der beliebtesten Heiligen, zumal ihn die Bauern auf Grund seines Attributes der Kette als Viehpatron beanspruchten. Der ursprüngliche Kultgegenstand in der Wallfahrtskirche war ein sogenannter „Würdiger“, eine eiserne Leonhardstatue. Durch das Heben dieser schweren Figur (Hebekult) wurden auch junge Burschen zur Wallfahrt motiviert und konnten auf Sündenerlass hoffen. Mädchen wählten meist die einfachere Variante und „erinnerten“ den Heiligen mit Nadeln oder Nägeln an ihre Anliegen.
Das barocke Altarbild des heiligen Leonhard, datiert auf 1692, wird dem namhaften steirischen Künstler Hans Adam Weissenkircher - bekannt u.a. durch das Deckengemälde im Planetensaal des Barockschlosses Eggenberg – zugeschrieben. Die begleitenden Heiligenfiguren Leonhard, Petrus und Paulus sowie Madonna mit dem Kind, Johannes der Täufer und Barbara stammen von Andreas Marx. Die Seewiesener Madonna, Werk eines unbekannten Künstlers des 16. Jh., wurde 1960 wiedergefunden und aufgestellt und ist eine Kopie der Mariazeller Gnadenstatue.
Die bemerkenswerte historische Orgel (Positiv), anlässlich der Barockisierung um 1700 in die Kirche eingebaut, wird demnächst einer Renovierung unterzogen werden. Ein Positiv – von lateinisch ponere für „setzen, stellen, legen“ - ist eine kleine leicht versetzbare Orgel mit wenigen Registern, zumeist einmanualig und ohne Pedal. Das Orgelfresko – eine Kreuzigungsszene um 1710 – sowie das Fresko über dem Apsisbogen wurden anlässlich einer Kirchenrenovierung im Jahre 1957 wieder freigelegt und kürzlich saniert.
Anlässlich des 650-Jahr-Jubiläums bekam das Gotteshaus ein ehrenvolles Geschenk: Eine dringend erforderliche Generalsanierung konnte dank namhafter und engagierter Persönlichkeiten mit Sinn für Kulturgut in die Tat umgesetzt werden.
Fortsetzung zu Seewiesen, insbesondere über das Handschuh-Tragen und das Pilgern, in der nächsten Ausgabe.
Text von Maria Zifko,
www.zifko.guide